Langsam aber sicher machen sich die Schulen im 21. Jahrhundert daran, die neuen Technologien in den Lehrplan zu aufzunehmen und im Unterricht einzusetzen. Die Nutzung der Informationstechnik und Robotik im Unterricht bietet nämlich erhebliche Vorteile: Schülerinnen und Schüler sind motivierter, können dort abgeholt werden, wo sie stehen, und es kommt seltener zu schulischem Versagen.
Wir sprachen mit dem Forscher und Professor für Mathematik Didier Roy , der im Flowers-Team von INRIA , der renommierten französischen Forschungseinrichtung für Informationstechnologie, mitarbeitet und präsentieren Ihnen das Interview in zwei Teilen.
Génération Robots: Herr Roy, könnten Sie sich bitte unseren Leserinnen und Lesern, die Sie nicht kennen, kurz vorstellen.
Didier Roy: Ursprünglich unterrichtete ich
Mathematik an einer Mittelschule
. Heute bin ich
Forscher im Team Flowers bei Inria Bordeaux Sud-Ouest
. In meinem Forschungsteam untersuchen wir die
Mechanismen der Entwicklung beim Menschen und beim Roboter
.
Mein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Optimierung und Personalisierung von Lernmaterial mithilfe der IT. Ich arbei an dem Projekt
Kidlearn
mit, bei dem mit neuen Algorithmen beim Unterricht experimentiert wird.
Neben dieser Tätigkeit setzte ich mich außerdem als Robotikmediator für die Verbreitung der Informatikwissenschaft ein, insbesondere der Robotertechnik und Programmierung.
Génération Robots: Sie haben schon zahlreiche Projekte umgesetzt, Ausbildungen absolviert und waren in sehr vielfältigen Forschungsbereichen tätig. Zu welchem Zeitpunkt ist Ihnen bewusst geworden, welchen Stellenwert die Robotik im Unterricht einnehmen kann? Was war der Auslöser?
Didier Roy:
Schon seit geraumer Zeit beschäftige ich mich mit der Vermittlung von Algorithmik und Informatik.
Die Robotik erlebt seit einigen Jahren eine beachtliche Entwicklung. 2009 begann ich in einer Mittelschule mit einer Einführung in die Robotik und ich konnte
feststellen, wie positiv sich das auf die Schülerinnen und Schüler hinsichtlich Motivation und Erwerb neuer Kompetenzen auswirkte.
2011 arbeitete ich am Forschungsprojekt RASPO mit, bei dem es um die Nutzung eines humanoiden Roboters zur Vertiefung im Fach Mathematik ging.
Die Überzeugung, dass sich mit der Robotik zahlreiche Möglichkeiten für die Bildung eröffnen, hat sich ganz selbstverständlich eingestellt.
Mit dem Einstieg in das Flowers-Forschungsteam wurde ich in meiner Überzeugung bestärkt
und begann über die Ausarbeitung eines Robotik-Lehrprogramms für den Unterricht nachzudenken, insbesondere eine Einführung in die Robotik für Kinder im Grundschulalter.
Ich rief eine Arbeitsgruppe für den Robotikunterricht ins Leben, die sich aus Lehrpersonen der Grund- und Mittelschule sowie aus Robotikforschern zusammensetzte. Die Mitglieder der Gruppe testeten unterschiedliche Aktivitäten und Methoden zur Vermittlung der Robotik im Unterricht.
Génération Robots: Wie würden Sie Lehrende, die mit dieser Materie nicht vertraut sind, davon überzeugen, sich auf das Abenteuer einzulassen? Wovon profitieren Schüler und Lehrer bei einem Robotik-Workshop am meisten?
Didier Roy: Durch den spielerischen Ansatz bietet die Robotik eine motivierende Mikro-Lernumgebung , in der die digitale und die physische Welt miteinander verknüpft werden. Die Kinder werden mit einer Zukunftstechnologie vertraut gemacht und können dabei gleichzeitig aktiv anwenden , was sie in Algorithmik und Programmierung gelernt haben. Vor allem Mädchen finden das zumeist viel interessanter als einfach nur einen Bildschirm vor sich zu haben.
Wir stellen fest, dass die Schüler in Gruppen über Algorithmen diskutieren, diese programmieren und schließlich testen – in einer Atmosphäre des Vertrauens, wo das Greifbare eine wichtige Rolle spielt. Denn wie auch immer die Schüler vorgehen, das Ergebnis zeigt ganz eindeutig, ob es richtig oder falsch war. Die physische Umsetzung des intellektuellen Prozesses stärkt das Vertrauen und schafft Befriedigung.
Allgemein betrachtet würde ich sagen, wird die Informatikwissenschaft nicht unterrichtet, besteht das Risiko der Bildung einer Zweiklassengesellschaft , die sich in jene teilt, die über das Wissen verfügen und somit in der Lage sind, zu verstehen und zu agieren, und jene, die hinterherhinken und manipulierbar sind, in einer Welt, die sie nicht mehr durchschauen.
Auch in anderen Schulfächern ergeben sich positive Effekte. Zum Beispiel in
den Sprachen, Mathematik, Naturwissenschaften, in Bildender Kunst und musikalischer Erziehung
. Das
Erlernen der wissenschaftlichen Methodik
, der Argumentation und Diskussion wird durch den greifbaren Aspekt der Robotik unterstützt. Die
Handhabung eines physischen Objekts
ist nicht nur motivierend, sondern fördert auch das Verständnis.
Der
kooperative Aspekt
der Aktivitäten in Zusammenhang mit der Robotertechnik bietet auch Schülerinnen und Schülern, die dem Unterricht sonst nur schwer folgen oder Schwierigkeiten mit dem Schulsystem haben, neue Entfaltungsmöglichkeiten.
Génération Robots: Das Modul Inirobot ist sehr erfolgreich, denn es bietet Workshopleitenden und Lehrenden eine gebrauchsfertige Lösung, um den Schülerinnen und Schülern die Robotik näher zu bringen. Für welche Altersgruppe würden Sie dieses Modul empfehlen?
Didier Roy: Ich nehme Ihre Frage zum Anlass, um kurz auf die möglichen Anwendungen von IniRobot einzugehen. Je nach kultureller oder fachlicher Zielsetzung sind die Einsatzmöglichkeiten für Informatik-Aktivitäten oder im Unterricht sehr vielfältig. Ausgehend von ein und derselben Sequenz von Aktivitäten kann der Schwerpunkt auf unterschiedliche Aspekte gelegt beziehungsweise einzelne Aufträge erweitert oder weggelassen werden.
Was nun die Altersstufen anlangt, IniRobot eignet sich für Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren , jedoch nicht ausschließlich . Mit der grafischen Programmierung können sich auch Kinder, die noch nicht lesen können, in angewandter Algorithmik versuchen. Darüber hinaus ist IniRobot für alle Altersklassen einsetzbar und bietet jedem, der sich mit der Robotik und Programmierung vertraut machen möchte, einen niederschwelligen und spielerischen Einstieg in die Thematik.
Génération Robots: Was wäre Ihrer Meinung nach der nächste Schritt, sobald alle Aktivitäten durchgeführt wurden? Auf welcher Roboterplattform und in welcher Programmiersprache können Kinder, die das Modul Inirobot vollständig ausgeführt haben, zu arbeiten beginnen?
Was würden Sie für die älteren Kinder raten?
Didier Roy: Um sich schrittweise mit der Informatikwissenschaft vertraut zu machen, wäre es denkbar, zunächst mit Aktivitäten gänzlich ohne Computer, Internet oder Roboter zu beginnen (siehe pixees.fr ) , die auch für die Jüngsten schon möglich sind, anschließend IniRobot , also den Roboter Thymio mit der grafischen Programmierun g zu nutzen, danach den Roboter Thymio mit einer Programmierung nach Blöcken , wie dies mit der Software Scratch (oder Blockly oder Snap) möglich ist. Diese schrittweise Annäherung kann mit Kindern im Grundschulalter und zu Beginn der Mittelstufe begonnen und etwa bis zur 7. Klassenstufe fortgesetzt werden.
Anschließend ist bereits eine vereinfachte Textprogrammierung mit Aseba Studio und dem Roboter Thymio möglich, gefolgt von der Programmierung nach Blöcken und später Textprogrammierung mit einem Roboterarm, der sich entlang von mehreren Achsen bewegt. Für Fortgeschrittene empfiehlt sich die Textprogrammierung komplexerer Roboter, wie Metabot von Rhoban oder der kleine humanoide Roboter Poppy Mini , und gegen Ende der Mittelstufe bzw. zu Beginn der Oberstufe der große Bruder Poppy oder Nao von Aldebaran Robotics .
Natürlich gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, die allesamt, was den Preis und den mechanischen sowie elektronischen Konstruktionsaufwand betrifft, sehr variieren können. Lego Mindstorms EV3 , Montagen auf Basis von Arduino , BeeBot für die Jüngeren, um nur einige häufig verwendete und ebenfalls gut im Unterricht einsetzbare Roboter zu nennen.
Der zweite Teil des Interviews wird nächste Woche veröffentlicht!